Kapitel 13 - Buddeln

Am nächsten Tag weckt Jessica mich auf. „Chris? Seit wann schnarchst du so furchtbar? Das war früher nicht so, oder?“, fragt sie mich schockiert. Ich öffne die Augen ein wenig und sehe, wie sie fertig angezogen neben mir steht. Schläfrig antworte ich ihr: „Naja… Keine Ahnung… Irgendwann nach unserer Scheidung muss das wohl angefangen haben. Wie…“, beginne ich und muss gähnen, „…soll ich das denn einschätzen? Das merke ich ja nicht“, erkläre ich ihr und mache meine sowieso halb geschlossenen Augen nun ganz zu. Plötzlich spüre ich ihre Haare und ihre Lippen in meinem Gesicht. Da öffne ich die Augen wieder ein wenig. Sie gibt mir einen Kuss auf die Wange und richtet sich dann wieder auf. „Auf geht’s. Steh auf. Heute wird gebuddelt!“, lacht sie. Ich seufze, da sie Recht hat und ich mein warmes Bett verlassen muss. Nicht, dass es in Oasis Springs kalt wäre, aber mein Bett ist trotzdem wärmer. Nachdem ich mich angezogen habe, folge ich Jessica nach draußen. Dort laufen bereits überall meine Freunde und diese anderen Archäologen aus Riverview hin und her. Ich sondiere die Umgebung und erkenne einige bekannte Gesichter wieder. Ich kann Catherine und Emilia sehen. Da hinten stehen Ben und Scarlett. Doch dann sehe ich ein sehr bekanntes Gesicht mit einem der Fremdlinge zusammen: Heather und Simon stehen etwas abseits des Ameisenhaufens und lachen gerade. Ich runzele die Stirn. Die verstehen sich ja schon ziemlich gut. Manchmal denke ich, dass es… Weiter kann ich nicht denken, da mich gerade von hinten jemand angetippt hat. Ich wirbele herum und sehe, dass es Derek ist.

 

 

Er grinst mich an. „Entschuldigung, falls ich dich erschreckt habe“, sagt er und schaut mich mit seinen freundlichen Augen an. Ich schüttele den Kopf. „Schon gut. Wie geht’s?“, frage ich. Er zuckt kurz mit den Schultern. „Gut glaube ich. Ich bin total aufgeregt. Ich hoffe wir finden etwas Interessantes hier!“, bemerkt Derek mit einem breiten Grinsen. Ich nicke. „Wird schon schief gehen“, lächle ich. Wir unterhalten uns über sinnlose Dinge und ich bin froh, dass Chloe zu uns kommt.

 

 

„Kommst du Chris? Carlos braucht uns alle“, erklärt sie mir und geht weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. Ich sehe Derek an. „Klingt wichtig. Bis nachher Derek“, sage ich. Derek grinst wieder: „Ciao“ Danach gehe ich zu meiner Gruppe, die sich gerade auf einem Haufen versammelt.

 

 

Carlos sieht sich kurz um. „Okay. Alle da“ Dann räuspert er sich. „Vielleicht habt ihr es bereits gemerkt, aber hier gibt es mehr als genug Arbeit für uns“, sagt Carlos. Er macht eine ausladende Geste. Er hat natürlich Recht. Wenn ich dürfte, würde ich hier den ganzen Tag buddeln. Fast wie im Kindergarten. Da hab ich auch schon immer am liebsten im Sandkasten gespielt. Ich kratze mich am Kopf. Bin ich etwa deswegen Archäologe geworden? Weil mir buddeln so viel Spaß macht? Carlos reißt mich aus meinen Gedanken: „Wir bilden Grüppchen zusammen mit den anderen. Immer zu zweit, damit wir vorwärts kommen“, fährt er fort. Wo er gerade vom Teufel spricht: Die Gruppe aus Riverview kommt wie eine Armee zu uns marschiert und stellt sich dazu. Mrs. Stone geht zu Carlos. Was jetzt passiert, fühlt sich fast wie ein geübtes Manöver an. Mrs. Stone und Carlos rufen nacheinander Personen auf, die eine Gruppe bilden sollen. „Heather…“, beginnt Carlos. „… und Ben“, beendet Mrs. Stone seinen Satz. Das scheint ihnen richtig Spaß zu machen. „Jessica…“, fängt Carlos wieder an. „… und Emilia“, sagt Mrs. Stone. Ich hebe die Augenbrauen. Okay. Es wird hier Tote geben. „Chris…“, sagt Carlos. „… und Derek“, bestimmt Mrs. Stone. Ich zucke leicht mit den Schultern. Es hätte mich auch schlimmer treffen können, schätze ich. Dann höre ich weiter zu. Kendra und Brad sind als nächstes dran. Chloe, Scarlett und Simon bilden die einzige Dreiergruppe. Die Stimmung ist irgendwie gedrückt. Niemand will so richtig mit dem anderen Team zusammenarbeiten. Ich seufze. Ich könnte besser arbeiten, wenn ich mit meinen Kollegen zusammen wäre. Derek ist ganz nett, aber irgendwie auch eine Nervensäge. Ich sehe zu Jeff und Rick rüber, die beim Sanitäterhäuschen auf einer Bank sitzen. Die beiden haben auch ein tolles Leben. Dürfen sich zurücklehnen und müssen nur darauf warten, irgendwem auf den Finger zu pusten, der sich Aua gemacht hat. „Also gut, Leute! An die Arbeit!“, ruft Carlos und klatscht in die Hände. Dann laufen alle auseinander und fangen an, die ganzen versteinerten Überreste in der Umgebung zu untersuchen. Jessica klopft mir im Vorbeigehen auf die Schulter: „Ich töte sie und du wartest mit dem Fluchtwagen auf mich.“ Ich lache und schaue dann Derek an. „Wollen wir?“, frage ich. Er nickt und wir gehen los. Es dauert nicht lange, bis wir auch auf ein potentielles Fossil stoßen. Man… Derek hatte Recht. Das hier ist wirklich ein Hotspot.

 

 

Kaum hatte ich mich hingekniet und begonnen, das Fossil zu extrahieren, fühle ich etwas, das ich schon lange nicht mehr gefühlt hatte. Dieses Gefühl, einfach im Freien zu sein und die Vergangenheit zu ergründen. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl und ich bin so übereifrig, dass ich mir mit dem Hammer direkt auf meinen Finger schlage. Derek zuckt: „Wow. Das sah nicht gut aus. Alles ok? Du solltest lieber einen Gang runter schalten“ Ich halte mir den Finger fest. „Mist. Das ist mir noch nie passiert. Peinlich“, sage ich. Derek sieht meinen Finger an. „Wow. Wie fest hast du da drauf geschlagen? Der schwillt ja total an“, meint er. Ich rolle mit den Augen. Wir arbeiten keine fünf Minuten und ich bin schon verletzt. Super. Inzwischen schmerzt mein Finger ziemlich stark. Ich habe gar nicht gemerkt, wie fest ich geschlagen habe. Tja. Wenn man die ganze Zeit nur am Computer sitzt und keine Praxis mehr hat, passiert das halt. Derek sieht mich an. „Ich glaube, es wäre besser, wenn wir zu den Sanitätern gehen. Die sollen dir was zum Kühlen geben. Dann können wir bald weiter machen. Und diesmal benutze ich lieber den Hammer“, lacht er. Ich lächle und folge ihm zum Sanitäterhäuschen. Rick sitzt auf einer Bank und liest ein Buch.

 

 

Derek bleibt plötzlich stehen. Ich sehe ihn an. „Was ist? Du kommst den ganzen Weg und bleibst jetzt stehen?“, frage ich ihn lächelnd. Derek sieht mich an. „D…da…“, stottert er. Ich sehe ihn besorgt an: „Derek? Alles okay?“ Er schüttelt den Kopf. „Ist… ist das euer Sanitäter?“. Ich sehe nochmal zur Bank nur um mir ganz sicher zu sein, dass ich ihn nicht verwechselt habe. Aber ja. Das ist Rick und er liest ein Buch. Ich nicke. „Das ist Rick. Jeff müsste eigentlich auch hier irgendwo sein…“, murmele ich. Derek sieht mich an. Er sieht aus, als hätte er einen Geist gesehen. „W…wer ist Jeff?“, fragt er mich. Ich sehe ihn an. Was hat er auf einmal? Hat er Angst? „Das ist Ricks fester Freund“, erkläre ich. Derek schluckt und nickt dann. „Du solltest dir was zum Kühlen holen. Ich warte beim Fossil auf dich…“, sagt er und dreht sich um. „Derek, was ist los?“, rufe ich. Er geht schon los, antwortet mir aber noch:

 

„Ich will nicht mit meinem Ex reden.“, sagt er.