Kapitel 2 - Viele neue Gesichter

 

Ich höre von drinnen eine raue Stimme „Herein!“ rufen. Also öffne ich die Tür ohne weiter zu zögern und betrete den Raum. Vor mir sitzt Carlos Radames an seinem Schreibtisch. Er ist der Leiter meiner Abteilung.

 

 

Als er mich sieht steht er sofort auf und kommt um seinen Schreibtisch herum. Wir schütteln uns die Hände. Ich stelle mich vor und er quetscht mich ein wenig über die Stellen aus, in denen ich vorher gearbeitet habe. Er ist eigentlich ganz nett und nach kurzer Zeit fühle ich mich nicht mehr so unwohl.

 

 

„Also gut, Chris. Ich zeige dir dein Büro. Keine Sorge, wir werden nicht weit laufen“, sagt Carlos lachend. Ich verstehe nicht ganz, wie er das meint. Erst als wir sein Büro verlassen, eine Tür weitergehen und stehen bleiben, beginne ich zu verstehen. Mein Büro liegt direkt neben seinem. Ich weiß nicht, ob ich das gut finde. Er öffnet die Tür und wir treten ein. Ich kann mir nicht verkneifen, zu grinsen. Es ist so ein schönes Büro. Ich fühle mich jetzt schon wie Zuhause!

 

 

„Es ist echt schön!“, sage ich begeistert. Carlos nickt lächelnd. „Dann wünsche ich dir, dass du dich schnell einlebst!“, bemerkt er. Ich danke ihm und wir verabschieden uns zeitweilig. Ich schlendere ein wenig im Büro herum und fühle mich immer wohler. Aber genug Komfort: Es ist Zeit an die Arbeit zu gehen! Viele Berichte wollen gelesen werden und noch mehr Fundstücke aus Oasis Springs wollen in die Computerdatenbank eingetragen werden. Während ich in der Arbeit versinke merke ich fast gar nicht, dass es an der Tür klopft. Aber eben nur fast. Ich richte meinen Blick auf die Tür und rufe „Herein“. Dann öffnet sich die Tür und das schönste Wesen, das ich je gesehen habe, betritt mein Büro.

 

 

Ich stehe sofort auf und fühle, wie mein Gesicht sich wärmer anfühlt. Ich könnte mich echt aufregen! Das muss doch irgendein Defekt sein, dass ich immer so schnell rot werde! Ich sollte mal zum Arzt gehen…

Egal! Zurück zu diesem engelsgleichen Wesen. Sie stolziert mit festen Schritten zu mir und lächelt mich an. Ich grinse verlegen zurück. Dann stehen wir uns gegenüber und sie öffnet ihren Mund und lässt die himmlischen Harfentöne, die wohl ihre Stimme sein müssen, entweichen.

„Guten Tag Mr. Coleman. Ich bin Chloe Fincher“, höre ich ihre liebliche Stimme sagen. Ich zögere keine Sekunde und antworte ihr: „E-einfach nur Chris!!“ stottere ich mit falscher Selbstsicherheit. Sie grinst mich an.

 

 

„Carlos hat mich gefragt, ob ich dich nicht etwas herumführen möchte“, erklärt sie mir. „Ich habe natürlich ja gesagt. Neue Mitarbeiter finde ich sehr interessant und ich würde dich gerne kennen lernen!“, fügt sie hinzu. Ich nicke heftig. ‚Ich würde dich auch SEHR gerne kennen lernen‘, denke ich. Oh halt! Ihr dürft bitte nichts Falsches über mich denken! Ich bin nicht so einer! Echt nicht!!! Schaut mich nicht so an, als hättet ihr mich ertappt!!!

„Also gut. Dann lass uns mal gehen“, meint Chloe und deutet Richtung Tür. Ich nicke wieder, weil ich keine Worte mehr herausbringe. Während wir zu den Treppen gehen erklärt sie mir, wo sie hin möchte: „Als erstes will ich dir die Sanitäterkammer zeigen“, beginnt Chloe zu erzählen. „Sowas hattet ihr vielleicht auch in deiner alten Stelle. Bei Expeditionen nehmen wir jedenfalls immer eigene Sanitäter mit. Manchmal ist es nämlich ziemlich gefährlich, wenn wir beispielsweise alte Höhlen erkunden oder so. Da ist es wichtig, dass die Sanitäter immer wissen, wie sie jemanden pflegen müssen“, fährt Chloe fort. Ich versuche ihr konzentriert zuzuhören, aber ihre Schönheit erschwert es mir ziemlich.

...

Jetzt schaut ihr ja schon wieder so! Darf ich andere Menschen etwa nicht hübsch finden? Ist das ein Verbrechen?!

...

„Dann kann ich dir gleich noch den Leiter der Sanitäter vorstellen“, meint Chloe lächelnd. „Hmhm“, mache ich.

Kurz bevor wir die Sanitäterkammer betreten wollen, bleibt Chloe stehen. „Oh, schau mal an“, sagt sie. Dann ruft sie durch die halbe Halle und einige Leute schauen uns schon an: „HERR HARDMAN IST ALSO AUCH SCHON DA!“. Der Mann, den sie gerade als Herrn Hardman geoutet hat, dreht sich um und strahlt im ganzen Gesicht. Dann kommt er zu uns.

 

 

„Natürlich bin ich hier, Teuerste!“, sagt er lachend. Chloe schnaubt künstlich. „Du bist BESTIMMT wegen mir hier, Jeff! Wo ist Rick?“, fragt Chloe mit einer immer noch künstlichen Strenge. Jeff lacht schon wieder. „Okay. Erwischt! Ich suche ihn auch schon die ganze Zeit. Ich glaube er macht grad Pause und hat mir nicht gesagt, wo er hingeht.“, sagt Jeff ruhig. Chloe klopft Jeff auf die Schulter. „Dein Schatz ist eine echte Nervensäge. Aber das sag ich dir ja ständig“, meint sie. Jeff hebt die Mundwinkel nur noch leicht an. Mir hingegen fiel gerade ein riesiger Felsbrocken vom Herzen. Zum Glück ist er schwul und ist mir keine Konkurrenz. „Ach ja! Fast hätte ich’s vergessen! Das ist unser neuer Kollege, Chris Coleman. Chris, das ist Jeff Hardman. Leiter der Sanitäter“, macht Chloe uns bekannt. Wir schenken uns ein Lächeln und sagen brav „Hallo“. „Leider haben wir nicht viel Zeit, Jeff mein Schatz“, sagt Chloe betrübt. „Ich muss Chris noch ein paar Sachen zeigen!“ fährt sie fort. Jeff lächelt. „Nur zu! Ich wünsche euch noch viel Spaß. Wir sehen uns!“, sagt er und geht in die Sanitäterkammer. Chloe dreht sich zu mir um. „Er ist echt ein Süßer, oder?“, lacht Chloe. Ich nicke. Da fängt Chloe an schallend zu lachen. Ich begreife zuerst gar nicht, warum sie so lacht. Erst eine Sekunde danach, verstehe ich, was los ist. Ich werde hektisch. „N-nein! So meinte ich das nicht!“, stammele ich, während ich mit den Armen wild rudere. Sie lacht immer noch. „Schon gut. Ich glaube, er findet dich auch süß. Komm wir gehen weiter“, kichert sie und wischt sich eine Träne aus den Augen.

 

Ich seufze. Das Ganze wird wohl schwerer als gedacht.